Berlin, 13.07.2015
Besuch des Forschungsinstituts für Inklusion durch Bewegung und Sport gGmbH
Dr. Georg Kippels – MdB
Inklusion durch Sport muss stärker in den Focus rücken. Der therapeutische Wert von Sport als Inklusionsmotor ist infolge bislang unzureichender wissenschaftlicher Aufarbeitung noch nicht ausreichend erfasst und damit noch nicht zur notwendigen Entfaltung gekommen. Im Rahmen unserer Inklusionsbemühungen ist eine ganzheitliche Betrachtung von Sachhilfemaßnahme und persönlicher sozialer Teilhabe geboten. Die hierzu notwendigen Erkenntnisse stecken aber leider noch in den Kinderschuhen.
Das Ergebnis der Studie wird im November in Berlin vorgestellt unter: www.fi-bs.de
Am 13.07.2015 besuchte ich in meinem Wahlkreis das Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport gGmbH unter der Leitung des Geschäftsführers Dr. Volker Anneken. Das Forschungsinstitut als An-Institut Sporthochschule Köln befindet sich auf dem Gelände der Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen, deren besonderes Anliegen es ist, sich mit Fragestellungen für Menschen mit Behinderungen auseinanderzusetzen.
In einem ausführlichen Gespräch mit Herrn Dr. Anneken und den Mitgliedern des Forschungsinstitutes Dr. Rainer Schliermann, Dipl. Sportwissenschaftlerin Tanja Bungter sowie Patrick Heydenreich (M.A. Rehabilitation und Gesundheitsmanagement) wurde die Bedeutung von sportlicher Betätigung für eine erfolgreiche Inklusion dargestellt. Hierbei kommt der sportlichen Betätigung nicht nur im Rahmen einer primären Rehabilitationsmaßnahme nach einer unfallbedingten Behinderung eine besondere Bedeutung zu, sondern auch bei angeborenen Behinderungen bzw. nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme führt sportliche Bewegungen sowohl zu einer Verbesserung der Befindlichkeit der Menschen mit Behinderungen als auch zu einer verstärkt sozialen Integration und Teilhabe.
Sport und Bewegung hat einen eigenen Inklusionswert, dessen Bedeutung bislang nur unzureichend erforscht ist“ führte Herr Dr. Anneken zum Forschungsinhalt aus. Die besondere Schwierigkeit des Forschungsauftrages besteht darin, geeignete und vor allen Dingen verallgemeinerungsfähige Erhebungsmethoden zu entwickeln, da bereits graduelle Unterschiede von Behinderungen zu vollkommen anderen Erhebungsergebnissen führen können. Besonders eindrücklich erläuterte mir das der selbst sehbehinderte Dr. Rainer Schliermann, der langjährig Ausdauersportarten betrieben hat und führte aus, dass bereits geringe graduelle Unterschiede in der Beeinträchtigung der Sehkraft zu vollkommen abweichenden Leistungsmerkmalen führen können. Er selbst verfügt nur noch über eine Sehkraft von knapp 5 %, die ihn allerdings gleichwohl in die Lage versetzt, räumliche Inhalte wahrzunehmen und nach einer gewissen Einübungsphase Bewegung und Orientierung selbstständig vorzunehmen. Demgegenüber führt eine vollständige Erblindung zu vollkommen anderen Orientierungs- und Bewegungsabläufen, die sodann auch zu anderen Trainingsmaßnahmen Veranlassung geben. Durch die sehr plastischen Ausführungen erhielt ich erstmalig einen dezidierten Einblick in eine Materie, die für einen Menschen ohne Behinderungen ohne intensive Befassung kaum nachvollziehbar und insbesondere auch nicht beurteilbar ist. Hier ist eine wichtige Aufgabe den Dialog mit den Betroffenen zu führen, um zu richtigen Folgerungen gelangen zu können.
Die Forschungsergebnisse bedürfen daher auch einer ständigen Evaluierung im Austausch mit Menschen mit Behinderungen um die notwendigen Ableitungen und für Verhaltens- und Therapievorschläge in geeigneter Form formulieren zu können.
Die Rolle des Sports als Inklusionsmaßnahme wird derzeit noch vollkommen unterschätzt bzw. viel zu wenig wahrgenommen“ stellt Herr Dr. Anneken fest. Der Focus liegt viel zu häufig in reinen Sachmaßnahmen, wie etwa baulichen Veränderungen oder Vorrichtungen, die jedoch im Rahmen der Kosten-Nutzen-Relation weit hinter dem auch emotionalen Wert einer sportlichen Aktivität zurückbleiben. Gerade auch Inklusionsmaßnahmen in Schulen konzentrieren sich nach Meinung von Dr. Anneken zu stark auf die Vorhaltung von entsprechenden baulichen Maßnahmen. Die emotionale und damit auch die soziale Inklusion führt demgegenüber zu wesentlich größeren Verbesserungen im Lebensgefühl der Menschen mit Behinderungen, als dies im Allgemeinen eingeschätzt wird. Der persönliche Kontakt untereinander und auch gerade mit Menschen ohne Behinderungen ist eine Therapiemaßnahme, die allerdings auch in den Schulungsprogrammen von Pädagogen und Sportbetreuern viel stärker implementiert werden müsste.
Auch wenn das Projekt derzeit durch das Ministerium für Arbeit und Soziales unter Federführung von Frau Andrea Nahles geführt wird, handelt es sich eigentlich um ein Querschnittsthema, bei dem auch die Ressortbereiche Familie, Gesundheit und Bildung und Forschung stärker eingebunden werden müsste“ merkte Herr Dr. Anneken an.
Bei der Vorstellung der Forschungsergebnisse am 05.11. in Berlin wird auch die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Frau Verena Bentele, ein Grußwort sprechen.
Anschließend konnte ich mir unter Führung von Dr. Anneken ein Bild über die verschiedensten sporttherapeutischen Ansätze und Einrichtungen auf dem weitläufigen Gelände der Gold-Kraemer-Stiftung verschaffen. Die hervorragende Ausstattung trägt insbesondere zu einer intensiven Begegnung zwischen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen – gerade auch im sportlich aktigen Bereich – bei. Diese Aufgabenstellung verdient unsere ganz besondere Beachtung und Unterstützung.