Berlin, 21.07.2015

Wir müssen den Flüchtlingen auch die Chance geben, sich selbst einzubringen

Dr. Georg Kippels – MdB

Überall im Rhein-Erft-Kreis reagieren die Menschen mit Anteilnahme auf die stetig steigende Zahl von Flüchtlingen. Ein weiteres interessantes Angebot ist jüngst unter dem Pfarrheim St. Audomar in Frechen ins Leben gerufen worden. Dort hat der Jugendintegrationsdienst ein Café eröffnet, das stets von bis zu 25 Jugendlichen besucht wird, die sich aus einem gemeinsam besuchten Sprachunterricht kennen gelernt haben. Bei Kickern, Billard oder einfach nur miteinander klönen tauschen sich die jungen Menschen aus und versuchen auch ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Trotz des Gewirrs verschiedener Sprachen und Dialekte scheint es aber keine wirklichen Verständigungsprobleme zu geben.

Bei meinem Besuch des Cafés machte Kaplan Michele Lionetti mit Nachdruck die Bedeutung solcher Angebote deutlich. „Sie sind so wichtig, weil besonders die älteren Jugendlichen unter den Flüchtlingen den ganzen Tag zum Nichtstun verurteilt sind. Schule oder gar Berufsausbildung ist bei vielen bis zur Klärung des Status nicht möglich, obwohl großes Interesse besteht und manchmal schon Kenntnisse vorhanden sind.“ Weil auch die Messdiener und die anderen Jugendgruppen der Pfarrgemeinde St. Audomar die Räumlichkeiten nutzen, sollen dort schon bald die ausländischen und die deutschen Jugendlichen ihre Freizeit gemeinsam verbringen. „Dann haben wir hier einen wunderbaren Ort der Begegnung.“

Mit großem Interesse erfuhr ich bei meinem Besuch, dass, finanziert durch das Erzbistum Köln, zahlreiche Aktivitäten geplant sind. Neben dem gemeinsamen Einstudieren eines Musicals oder eines Theaterstückes sind auch Ausflüge vorgesehen. Auf allen Ebenen soll die Integration intensiv gefördert werden. Besonders erstrebenswert ist aber immer der Zugang zu Bildung und Beruf.

Tatjana Markus von der Katholischen Jugendagentur will sich zudem dafür einsetzen, dass die jungen Flüchtlinge mit deutscher Kultur und Geschichte in Berührung kommen. Geplant sind deshalb, Besuche in den Bundestag oder das Bonner Haus der Geschichte anzubieten.

Meiner These, dass eine sinnvolle Beschäftigung verbunden mit guten Deutschkenntnissen von elementarer Bedeutung für eine gelungene Integration ist, stimmte Tatjana Markus vollumfänglich zu. Die Jugendlichen, so ihre Beobachtung, wollten arbeiten und die Sprache lernen. Beides könnte zudem helfen, die durch die Flucht erlittenen Traumata besser verarbeiten zu können. Bei jedem Jugendlichen vollziehe sich das anders und manchmal bedürfe es auch psychologischer Hilfe. Wichtig sei jedoch vor allem die Perspektive nach einem eigenverantwortlichen Leben in friedlichem Umfeld. Unter ihnen sind, wie Tatjana Markus mir berichtete, auch zahlreiche Menschen mit Hochschulabschluss, die ihre Fähigkeiten gerne einsetzen und sich weiter qualifizieren möchten.

Erfahren konnte ich bei meinem Besuch des Cafés zudem, dass einige der Flüchtlinge während der Flucht von Familienmitgliedern getrennt wurden. Eine syrische Familie, so Tatjana Markus, habe Schleusern 10.000 Euro für die Flucht bezahlen müssen. Der Vater der Familie sei dabei in der Türkei zurückgeblieben und habe jetzt kein Geld mehr, seiner Familie nach Deutschland zu folgen.

Die Flüchtlingsproblematik wird die Politik auf allen Ebenen noch lange beschäftigen. Alleine in diesem Jahr, so Tatjana Markus, würden bis zu 450.000 Flüchtlinge in Deutschland erwartet. Einrichtungen wie das Frechener Café im Pfarrheim von St. Audomar helfen dabei mit, die Schutz suchenden Menschen besser zu integrieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, am gesellschaftlichen, kulturellen aber dann auch beruflichen Leben in unserem Land teilzunehmen. Auch sie bestätigte mir erneut, dass die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung vorbildlich sei, oft aber einfach die fachliche Information über
Verfahren und Abläufe fehle, um die Hilfe dann auch optimal einsetzen zu können. Schulung und Information sowie die Koordination sei daher die vorrangigste Aufgabestellung.