Berlin, 19.08.2015

Die Weltwirtschaftssituation lässt kein Experiment Grexit zu

Dr. Georg Kippels – MdB

Nachdem der Deutsche Bundestag am 17. Juli der Aufnahme von Verhandlungen über ein ESM-Anpassungsprogramm für Griechenland zugestimmt hat, hatten wir an diesem Mittwoch nun über die konkreten Finanzhilfen für Griechenland zu entscheiden.

Den gesamten Dienstag haben wir noch einmal damit verbracht, alle Informationen auszuwerten und in die Meinungsbildung einfließen zu lassen. Die Tragweite der Entscheidung für alle Seiten ist daher sehr bewusst und präsent gewesen.
In den letzten Tagen wurde viel über die Freiheit des Mandats, welches nur dem eigenen Gewissen unterworfen ist, geschrieben und gesprochen. Die Frage, die ich mir nun stellen musste ist: Bin ich bereit mit meiner Stimme Griechenland und somit auch den Euro-Raum in ein vorhersehbares und unkalkulierbares Chaos zu schicken oder einen letzten Versuch der Rettung zu unternehmen.

Die Konsequenzen, die aus einem Nein zu einem ESM-Anpassungsprogramm hervorgehen könnten, sind für mich keineswegs für Deutschland und Europa folgenlos oder wenigstens nur sicher weniger belastend. Ein verlässliches Szenario für das Nein konnte von keinem der Kritiker dargestellt werden. Auch dort befindet man sich im Bereich der reinen Spekulation. Die Finanzmärkte waren in der Vergangenheit immer wieder Ursache von schweren wirtschaftlichen Verwerfungen. Im Falle von Griechenland sind darüber hinaus auch dramatische Auswirkungen für die Menschen zu befürchten, die ich aus humanitären Gründen nicht vertreten kann. Die Weltwirtschaftssituation lässt kein Experiment Grexit zu.

Leicht fällt mein „Ja“ nicht, jedoch muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass Griechenland bereits vor Aufnahme der Verhandlungen im Juli zuvor zurückgestellte Reformen umsetzte und es endlich wieder zu einer Normalisierung in der Art und Weise der Zusammenarbeit kam. Tsipras hat den Realitäten ins Gesicht gesehen und musste einsehen, dass Griechenland ohne weitere Hilfen auf den Stand eines Entwicklungslandes zurückgeworfen würde. Der sachliche Verlauf der Verhandlungen der letzten 4 Wochen gibt begründeten Anlass zur Annahme, dass die griechische Politik ihre Verantwortung nun doch erkannt hat. Es gibt zu dem Hilfspaket vor allem von griechischer Seite keine praktikablen und vernünftigen Alternativen.

Die Auflagen und Zielvorgaben wurden von der griechischen Regierung vollumfänglich akzeptiert und so bestätigte sich der Eindruck, dass mit dem neuen Finanzminister Tsakalotos nun ernsthaft an der Umsetzung der Reformagenda aus dem Memorandum of Understanding gearbeitet werden kann.

Der Erfolg der europäischen Einigung und die Rolle Europas in der Weltgemeinschaft ist und bleibt Kerninteresse Deutschlands. Wir sind in einer globalisierten Welt auf ein starkes und funktionierendes Europa angewiesen. Die erfordert auch Solidarität, wenn einer der Partner Europas in eine Schieflage geraten ist.