Berlin, 09.03.2017

Versandhandelsverbot

Dr. Georg Kippels – MdB

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

in den letzten Tagen erreichten mich zahlreiche Schreiben, die sich mit dem in der Diskussion befindlichen Versandhandelsverbot von Rx-Arzneimitteln, d.h. verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, befassten.

Zur Erinnerung darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung aus dem vergangenen Jahr festgestellt hatte, dass ausländische Versandapotheken nicht an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung gebunden sind, wonach grundsätzlich ein fester Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt und deshalb Preisnachlässe verboten sind. Seit dieser Zeit werben nun die ausländischen Versandapotheken und insbesondere auch Doc Morris mit entsprechenden BarBoni für verschreibungspflichtige Medikamente.

Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ist grundsätzlich auch in Deutschland seit 2004 zulässig, wobei aber alle deutschen Apotheken und damit auch die deutschen Versandapotheken gesetzlich an der Vergabe von Preisnachlässen gehindert sind.

Die Arzneimittelpreisverordnung, die das verbietet, beruht auf dem Umstand, dass die Preisfestlegung der verschreibungspflichtigen Arzneimittel auf einem komplizierten, aber vor allem ausgewogenen Verfahren beruht, um die Belastung der Krankenkassen mit Arzneimittelkosten zu begrenzen, aber auch die Wettbewerbssituation der Apotheken untereinander zu vermeiden, damit in Deutschland eine flächendeckende Versorgung mit Apotheken gewährleistet wird.

Da die Regierung durch die ungleiche Wettbewerbssituation diese Versorgung gefährdet sah, wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem der Versandhandel mit   verschreibungspflichtigen Medikamenten komplett, also im Inland und Ausland, verboten werden soll. Dies gilt in 21 weiteren europäischen Ländern im Übrigen auch.

Während die Apotheken diesen Schritt für zwingend erforderlich halten, um die Überlebensfähigkeit auch der Landapotheke zu sichern, reklamieren nun viele Kunden den Verlust des Bonus und den Verlust der Möglichkeit der Bestellung über den Versandhandel, vor allem bei chronisch erkrankten Patienten, die dauerhaft auf Medikamente angewiesen sind.

Es stehen daher nun die Argumente im Raum, dass die flächendeckende Versorgung nur durch das Komplettverbot sichergestellt werden kann und auch die Boni deshalb nicht erteilt werden dürfen, weil es sich um Geld der Krankenkassen und damit die Beiträge aller Versicherten handelt, während die Seite der Versandapotheken auf die Vorteile von Wettbewerb und die Patienten teilweise auf die komfortablere Versorgungssituation hinweisen. Auch deutsche Versandapotheken sehen Probleme bei dem Versandverbot, wenn es um Spezialrezepturen, Homecare oder Palliativversorgung geht.

Systematisch ist die Lösung der Frage dadurch erschwert, dass sich jede Regelung am Maßstab des Europarechts messen lassen muss, so dass die Frage leider nicht nur unter rein gesundheitspolitischen Gesichtspunkten behandelt, sondern ganz allgemeines Wirtschaftsrecht anwendet.

Meiner Meinung nach sollte der Wert der Apotheke vor Ort nicht und schnell und vordergründig aufs Spiel gesetzt werden. Das deutsche Gesundheitssystem kann die umfassende Versorgung im Bereich der Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern mit der bisherigen Beitragssituation, die nicht vom Gesetzgeber, sondern von den Krankenkassen festgelegt wird, nur aufrechterhalten, wenn Kosten und Beiträge in einen ausgewogenen Ausgleich gebracht werden.

Gerade für Patienten im ländlichen Raum ist dies eine sinnvolle Regelung und ein wichtiger Baustein des Strukturausgleichs. Die Gewährung von Preisnachlässen ist somit grundsätzlich unzulässig. Genau so wird aber ausgeschlossen, dass ein Preiswettbewerb nach oben stattfindet, also Arzneimittel, die z.B. nur eine kleine Gruppe von Patienten betreffen überbordende Marktpreise entwickeln und die Krankenkassenbeiträge bezahlbar bleiben.

Andererseits muss ein System in der derzeitigen Form nicht in Stein gemeißelt sein, wenn sich sowohl die Versorgungslandschaft, wie auch die Nachfragesituation ändern.

Ich bin allerdings der Meinung, dass eine grundlegende Systemüberprüfung dann auch sorgfältig vorbereitet werden muss, was aber nicht mehr möglich ist, wenn ich einen Beteiligten schon aus dem Markt verloren habe. Dies könnte die Landapotheke sein, wenn nicht erst einmal kurzfristig das Ungleichgewicht beseitigt wird.

Da ich die Gelegenheit nutzen möchte, mich auch direkt noch einmal mit allen Beteiligten und Betroffenen auszutauschen, werde ich in den nächsten Wochen im Wahlkreis Rhein Erft I eine Podiumsdiskussion veranstalten, bei denen alle zu Wort kommen werden und auch die Standpunkte zur Diskussion gestellt werden sollen.

Ich laden Sie bereits jetzt recht herzlich zur Teilnahme ein. Als Berichterstatter für die Qualitätssicherung ist es mir auf jeden Fall ein besonderes Bedürfnis, die Versorgungsqualität im ländlichen und städtischen Bereich und auch in inhaltlicher Sicht bestmöglich zu gestalten und auch den – sich sicher ändernden – Bedürfnissen der Patienten anzupassen.

Ich freue mich auf Ihre Mitwirkung bei der Meinungsbildung und werde Sie über die weiteren Erkenntnisse zeitnah unterrichten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Georg Kippels MdB

Mitglied des Gesundheitsausschusses