Rede zum Haushalt 2018 des Bundesministeriums für Gesundheit – Deutschland ist ein sichtbarer Akteur
Die Bedeutung einer global ausgerichteten Gesundheitspolitik spiegelte sich auch in den Beratungen zum Bundeshaushalt 2018 wider. Gesundheit kann heute nicht mehr nur in staatlichen Grenzen gedacht werden. Die stetig zunehmende Mobilität der Menschheit verstärkt die Verbreitung von Gesundheitsgefahren über Ländergrenzen und Kontinente hinweg.
Todesfälle als Folge von Infektionskrankheiten, eindämmbaren Epidemien, von chronischen nichtübertragbaren Erkrankungen, aber auch durch seltene Tropenkrankheiten und antimikrobiellen Resistenzen können erheblich reduziert werden. Sie beeinträchtigen weltweit wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungschancen sowie die soziale und politische Stabilität von ganzen Regionen. Deutschland ist zwar später als andere Länder in die Debatte um globale Gesundheitsfragen eingestiegen, kann aber insbesondere durch die Bereitstellung von Erfahrung, Expertise und Mittel sowie die Stärkung internationaler Institutionen der globalen Gesundheit einen wichtigen Beitrag leisten. Mit einem Aufwuchs im Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheit um 28 Millionen Euro – auf jetzt rund 103 Millionen Euro – bekommt das Thema mehr Aufmerksamkeit. Gemessen am Gesamthaushalt für Gesundheit von rund 15,2 Milliarden Euro ist es weiterhin ausbaufähig. Alle Ressorts zusammen geben jedoch über 800 Millionen Euro in die globale Gesundheitshilfe, doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Somit ist unser Land ein sichtbarer Akteur geworden, nicht zuletzt auch aufgrund des Engagements von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen von G7- und G20-Konferenzen.
Die für 2019 angekündigte „Strategie der Bundesregierung zu globaler Gesundheit“ wird sicherlich nochmals einen sichtbaren Schub für das Thema bewirken. Auch im parlamentarischen Betrieb wurde durch die Einsetzung des „Unterausschuss Globale Gesundheit“ ein großer Schritt gemacht, um die dringend erforderliche ressortübergreifende Zusammenarbeit und den Austausch aller beteiligten parlamentarischen Gremien voranzutreiben.
Multiresistenzquote bei Tuberkulose besorgniserregend
Auf Europa entfallen etwa drei Prozent aller Tuberkulose-Neuerkrankungen, vor allem in osteuropäischen Staaten steigen die Fallzahlen. Weltweit sterben jedoch 1,3 Millionen Menschen jedes Jahr an den Folgen der Krankheit. Zu den fünf Ländern mit den meisten Neuerkrankungen gehören Indien, Indonesien, China, die Philippinen und Pakistan. Der Kampf gegen diese gefährliche Infektionskrankheit wird durch die Herausbildung von Resistenzen gegen ein ohnehin schon begrenztes Arsenal von Medikamenten erschwert.
Die Situation in Osteuropa und Zentralasien ist besonders problematisch. Vor diesem Hintergrund bin ich im Mai dieses Jahres mit meinen Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, Dr. Wolfgang Stefinger und Dagmar Ziegler, nach Georgien gereist, um mich vor Ort eingehend mit dem Kampf gegen Tuberkulose zu befassen. Welche Herausforderungen haben Länder in Transitionsprozessen, die nicht mehr lange Zugang zu externer Finanzierung haben werden? Wie werden die Belange von besonders verletzlichen Bevölkerungsgruppen geschützt? Und wie betten wir den Kampf gegen Tuberkulose in die Stabilisierung von Gesundheitssystemen ein?
Am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause durfte ich Schirmherr des Parlamentarischen Frühstücks der Freunde des Globalen Fonds Europa zur Auswertung dieser Reise sein. Als Gäste in der Runde begrüßte ich die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Maria Flachsbarth, aus dem Bundesministerium für Gesundheit die Leiterin der Unterabteilung für europäische und internationale Gesundheitspolitik, Dr. Anna Babette Stier, und James Malar, der einen Bericht aus der Sicht der Organisation „StopTB Partnership“ gab. Unter den Gästen der Veranstaltung waren zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft, die mit dem Panel angeregt und konstruktiv diskutierten. Im kommenden Herbst wird der Kampf gegen Tuberkulose prominent auf der Agenda der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Rahmen eines High-Level-Meetings stehen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Parlamentarischen Frühstücks formulierten ihre Hoffnung, dass das Treffen in New York zu wesentlichen Maßnahmen führt.
Die deutschen Braunkohlereviere beraten vereint ihre Zukunft
Was ursprünglich als Arbeitsgespräch in kleiner Runde geplant war, entwickelte sich zu einer Konferenz mit bundespolitischer Dimension. An diesem Freitag, genau einen Monat nach dem Einsetzen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“, fand die erste Strukturwandelkonferenz „Aus den Revieren – Für die Reviere“ auf Initiative von mir, in Begleitung meiner beiden ebenfalls betroffenen Kollegen Dieter Stier und Klaus-Peter Schulze statt.
Hochkarätige Gäste konnten wir gewinnen, die den Konferenzteilnehmern einen dezidierten Einblick in die Prozesse, die nun umgesetzt werden sollen, geben konnten. Zunächst hat aber der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Volker Kauder, die Konferenzteilnehmer aus den Revieren im Deutschen Bundestag willkommen geheißen und versichert, dass es mit der Unions-Fraktion zu keinen einvernehmlichen Entscheidungen kommen wird, die die wirtschaftliche Stabilität der Regionen gefährden wird.
Neben unserem Landrat des Rhein-Erft-Kreises Michael Kreuzberg, der als einer von zwei kommunalen Vertretern selbst in der Kommission sitzt, durften wir ebenfalls die Ministerpräsidenten Armin Laschet und Michael Kretschmer begrüßen, die jeweils auch die Perspektiven Ihrer Bundesländer darstellten. Die Herausforderungen sind im Großen und Ganzen für alle Reviere zwar ähnlich, doch gibt es natürlich regionale Besonderheiten, die ganz individuell gelöst werden müssen.
Die Dimension der bevorstehenden Aufgaben ist nicht zu unterschätzen. Und so fordert der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft, Oliver Wittke, zu Recht, dass die logische Reihenfolge lauten lauten muss: Erst maßgeschneiderte Beschäftigungsperspektiven entwickeln. Erst in den Wandel eintreten. Und erst dann kann man überhaupt damit anfangen darüber nachzudenken, wann und in welchem Umfang Stilllegungen vollzogen werden können.
Vor allem ist die Zeit der Kirchturmpolitik, in der Entscheidungen außerhalb jeder gesellschaftlicher Teilhabe getroffen werden. Staatssekretär Wittke verwies auf die Erfahrungen, die wir mit dem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet gewonnen haben. Dies ist vor allen Dingen als Chance zu verstehen, dieselben Fehler nicht zu wiederholen.
Auch Michael Kreuzberg, als Mitglied der Kommission hat klare Vorstellungen: „Ich erwarte, dass die Kommission ihrem Titel „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ gerecht wird. In den Worten des Einsetzungsbeschlusses soll eine „nachhaltige wirtschaftliche Dynamik“ und „hochwertige Beschäftigung“ sichergestellt werden. Und das nicht nach einem Kohleausstieg sondern als parallele Entwicklung, ja als Bedingung für einen beschleunigten Kohleausstieg. Dabei bin ich davon überzeugt, dass der Ausstieg notwendig ist und in Zukunft auch möglich sein wird.“
Ministerpräsident Kretschmer gab vor allen Dingen zu bedenken, dass wir die Menschen vor Ort nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Diese gehen einer harten Arbeit nach und sind stolz darauf. Das sind Menschen, die wir nicht eben mal in IT-Experten umschulen können. Gerade unser Bildungssystem hat deshalb auch eine besondere Aufgabe, um in den betroffenen Regionen noch mehr und gezieltere Bildungsarbeit zu leisten.
Unser nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Armin Laschet, der nunmehr seit kapp einem Jahr die Geschicke unseres Bundeslandes leitet, sieht sich einer besonderen Situation gegenüber. Alle Umsetzungsprozesse,die zu einem beschleunigten Braunkohleausstieg führen können und heute schon im Gange sind, basieren auf Entscheidungen, die unter rot-grüner Landespolitik entschieden wurden. Dies sind Pfade, die nicht ohne Weiteres umkehrbar sind. Man darf sich nicht erneut unter einen falschen Zeitdruck stellen. Was dies bei der Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernenergie gebracht hat, sehen wir heute.
Einen interessanten und tatsächlich richtigen Einwurf schob er hinterher: Jede energieintensive Industrie, die in Deutschland bleibt und nicht ins Ausland abwandert, ist ein aktiver Beitrag zur globalen Klimapolitik. Denn solch hohen Umweltauflagen unterliegen Unternehmen nirgendwo sonst.
Besonders wertvoll waren aber die Beiträge derjenigen Konferenzteilnehmer, die die Entscheidungen, die auf bundespolitischer Ebene und innerhalb der Kommission getroffen werden, dann auch tatsächlich umsetzen oder tragen müssen. Fast 100 Bürgermeister, Landräte, Vertreter der kommunalen Wirtschaft und Landtagsabgeordnete sind der Einladung nach Berlin gefolgt und haben teils sorgenvoll, teils mahnend aus ihrem politischem und wirtschaftlichen Alltag berichtet.
Dass ein Mammutprojekt, wie der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger eine Vielzahl von Dimensionen hat und Betroffenheiten auslöst, war und ist bekannt. Allerdings hat uns die heutige Konferenz die Gelegenheit gegeben, aus allen Regionen, aus vielen Branchen und aus der Gesellschaft heraus zu identifizieren, welche Hürden und Probleme sich ergeben und diese zu bündeln.
Es wäre zu kurz gedacht, die Zieldimensionen zu eng zu setzen. Neben den offensichtlichen Herausforderungen, wie die Zukunft der Braunkohleindustrie selbst und der Energieversorgung, gibt es zahlreiche Themen, die ebenso betroffen sind und ihre eigene Brisanz haben.
Dabei sind zu nennen: die kommunale Finanzperspektive, die angrenzenden Industrien, aber vor allen Dingen auch die sozioökonomischen Entwicklungen, die mit einem solchen Jahrhundertprojekt ausgelöst werden.
Deshalb war es mehr als richtig und wichtig, heute den ersten Aufschlag zu einem umfassenden Dialog zu starten. Wir haben heute eine Grundlage entwickelt, auf der wir jede weitere Diskussion aufbauen können. Im Folgenden werden wir unsere heute gewonnenen Erkenntnisse in den Arbeitsprozess der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ einbringen. Die Zusage, aus dem Ministerium, keine Entscheidung zu fällen, ohne eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen, lässt zumindest hoffen, dass wir vernünftige Ergebnisse erzielen können.
Ohne einen breiten gesellschaftlichen Konsens, werden wir in den Revieren keinen sozialverträglichen Braunkohleausstieg zustande bringen können. Wie unser Landrat Michael Kreuzberg deshalb konsequenterweise vorschlug, bedarf es eines Gesellschaftsvertrages, der uns allen einen verlässlichen und stabilen Planungshorizont aufzeigt, dergestalt, dass wir keine Region und keinen Wirtschaftssektor zurücklassen.