die ersten beiden Wochen der sitzungsfreien Zeit sind vorbei. Traditionsgemäß wird diese Anfangsphase dazu genutzt Reisen der Ausschüsse ins Ausland durchzuführen, um im Rahmen von politischen und wirtschaftlichen Gesprächen Verbindungen aufzubauen bzw. bestehende Verbindungen zu pflegen. Im Rahmen meiner Ausschusstätigkeit im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung führte mich diesmal diese Reise nach Malawi und Südafrika. Das Reiseprogramm war für mich im besonderen Maße von Interesse, weil die Fragen der gesundheitlichen Versorgung einerseits und der Energieversorgung andererseits auf der Tagesordnung standen.
Mit Malawi unterhalten wir bereits seit über 50 Jahren eine intensive Partnerschaft in vielfältiger Hinsicht. Malawi ist eines der ärmsten Länder Afrikas, wobei die Ausgangsbedingungen auch relativ ungünstig sind. Durch die Binnenlage sind logistische Wege außerhalb des afrikanischen Kontinents schwierig und aufwendig. Das Land ist zwar durch den riesigen Malawisee mit Wasservorräten gesegnet. Andererseits sind die Möglichkeiten des landwirtschaftlichen Anbaus oder sonstiger Rohstoffe überschaubar. Die Ernährung der Bevölkerung wird durch Maisbrei geprägt, der zwar als kohlehydratreicher Nährstoff sättigt, allerdings keine sonstigen Nähr- und Mineralstoffe enthält, so dass die Bevölkerung, auch insbesondere die Kinder unter einer sogenannten Mangelernährung leiden, die leider zu Entwicklungsschädigungen führt.
Beim Besuch des Präsidenten wurden alle diese Punkte sehr konstruktiv angesprochen. Projekte zur Förderung der Fischzucht sowie zur Verbesserung der Bildung und der medizinischen Versorgung sind wesentlicher Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit. Ein latentes Problem ist die Energieversorgung. Malawi hat hierbei Anfang des Jahres einen herben Rückschlag erlitten, weil durch einen Tropensturm ein Wasserkraftwerk am Malawisee zerstört wurde und hierdurch 124 Megawatt Leistung weggefallen sind. Dies ist für deutsche Kategorien verschwindend, für einen afrikanischen Staat aber für die Energieversorgung existenzbedrohend. Klimapolitisch war ein wesentliches Thema, die permanente Abholzung zur Gewinnung von Brennstoff zum Kochen zu verhindern. Hier müssen Öfen und Herde mit optimiertem Verbrennungsverhalten hergestellt werden. Letzten Endes ging es auch um die Frage einer erfolgreichen Aufforstung mit geeigneten klimaresistenten und schnellwachsenden Bäumen.
Das Bild in Südafrika ist demgegenüber ein gänzlich anderes. Afrika ist entwicklungspolitisch ein sogenanntes Schwellenland, das auf dem Wege zu einem Wirtschaftsland ist, bei dem allerdings noch Baustellen in nicht unerheblichem Umfang vorhanden sind. Seit der Beseitigung der Apartheit mit dem durch den Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela, dessen Jubiläum am vergangenen Montag gefeiert wurde, sind Bemühungen zur Herstellung von Chancengleichheit intensiv auf dem Wege, aber keinesfalls beendet. Die Kontraste sind denkbar groß, wenn man von einem wohlentwickelten und wohlhabenden Township (Stadtteil) um die Ecke fährt und dort zu Bereichen kommt, die aus Blechhütten bestehen und die Menschen dort am Existenzminimum leben.
Südafrika hat in der jüngeren Vergangenheit eine weltpolitisch beachtenswerte Rolle eingenommen. Im Zusammenhang mit der Coronapandemie wurden wertvolle wissenschaftliche Informationen und Beiträge geliefert. Gleichzeitig reklamiert man für sich eine intensivere Teilhabe bei der Impfstoffproduktion und Lieferung. Bei Besuchen bei dem Impfstoffhersteller BioVac und einem Austausch mit dem CEO konnten die dortigen sehr vielversprechenden Entwicklungsprozesse erörtert werden. Auch ohne die Aufgabe von Patentschutz sind dort vielversprechende Ansätze vorhanden, die vor allen Dingen auch die in Europa bestehende Abhängigkeit von Produktionen in Indien und China verbessern könnten.
Beeindruckend und interessant war ein Besuch und Austausch in der Stellenbosch Universität bei Prof. Tulio de Oliveira, dem Entdecker der Omikronvariante, mit dem ich die Coronastrategien für den Herbst erörtern durfte. Da Südafrika eine lange Tradition in der Befassung und Behandlung von Epidemien und Pandemien hat, ist die dortige wissenschaftliche Herangehensweise und die politische Übersetzung der Handlungsaufträge deutlich pragmatischer, wenn auch ebenfalls Gegenstand einer kritischen Diskussion. Prof. Tulio de Oliveira wird im Herbst in Berlin zu Gast sein, um dort den Afrikapreis zu erhalten. Wir haben uns zur Fortsetzung des Dialogs bereits jetzt wieder verabredet.
Ein absolut vertrautes Thema war das Gespräch mit zwei Bürgermeistern, einer Landrätin und der Landwirtschaftsministerin eines Distrikts, in dem jetzt die Energiewende durchgeführt werden soll. 5 Kohlekraftwerke und Tagebaue mit ca. 90.000 Mitarbeitern in der ersten Beschäftigungslinie sollen bis 2030 vom Netz gehen. Hier entwickelte sich ein lebhafter Austausch über die Herausforderungen und die Umsetzung eines möglichen Strukturwandels. Auch hier wurde ein Erfahrungsaustausch in Deutschland mit einem Besuch einer südafrikanischen Delegation im Rheinischen Revier verabredet.
Der Besuch endete mit einem Arbeitsfrühstück mit drei Vertretern des Präsidialbüros des Präsidenten Ramaphosa für die Bereiche Finanzen, wirtschaftliche Entwicklung und Forschung. Die Vorstellungen für eine Zukunft von Südafrika sind sehr konkret und auch sauber geplant. Leider fehlt es bei der Regierungspartei ANC an politischem Umsetzungswillen und auch die Korruption wird zwar abgebaut, hat aber einen nach wie vor nicht zu unterschätzenden Vorteil. Traditionell gibt es in diesem Politikbereich aus früheren Zeiten immer noch eine gewisse Neigung zu Russland, die wir im eigenen Interesse dringend abbauen sollten. Südafrika nimmt weltpolitisch eine sehr beachtliche Rolle für den afrikanischen Kontinent und die Willensbildung bei den Entwicklungsländern ein, die wir uns dringend zu Nutze machen sollten.
Für mich war diese Reise auch deshalb eine besondere Ehre und Herausforderung, weil ich die Funktion des sogenannten Delegationsleiters übernehmen durfte, die mir die Möglichkeit gab mit allen prominenten Vertretern aus Politik und Wirtschaft die deutschen Standpunkte hautnah zu besprechen.
Das berühmte Zitat, dass Reisen bildet, ist unverändert richtig. Persönliche Eindrücke von Menschen, deren Lebensverhältnissen und die Art und Weise der Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Interessen lässt sich wesentlich besser Wahrnehmen als durch nüchterne Berichte. Es ist doch immer wieder sehr schön festzustellen, dass die deutsche Arbeit im Ausland mit sehr viel Respekt und Anerkennung honoriert wird. Dies heißt natürlich nicht, dass wir auch nicht mit der gebotenen Sachlichkeit Kritik an Fehlentwicklungen ausüben dürfen.
Ab dem 22.07. werde ich mich wieder uneingeschränkt den Interessen und Belangen des Wahlkreises widmen und freue mich auf jede Begegnung und Besuche. Ich will auch nicht verschweigen, dass es auch ein wunderbares Gefühl ist, einfach auch mal nur „zu Hause zu sein“.
Herzlichst
Ihr/Euer
Dr. Georg Kippels MdB