In der vergangenen Woche haben sich die Ereignisse rund um die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ regelrecht überschlagen. So kam die von mir initiierte und von meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem „Gesprächskreis Braunkohle“ unterstützte Zweite Strukturwandelkonferenz „Aus den Revieren – Für die Reviere“ am vergangenen Freitag gerade zur rechten Zeit.   181123_Strukturwandel_P1040428
Auch die Zusammensetzung der Gästeliste zeigt wie hochbrisant das Thema ist und wie aufmerksam die Arbeit der Kohlekommission in den Braunkohlerevieren verfolgt wird. Neben dem Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, hat ebenfalls der Chef der sächsischen Staatskanzlei, Oliver Schenk, in Vertretung für den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer teilgenommen.

Wenige Tage zuvor hieß es in der öffentlichen Berichterstattung noch, die Kommission stünde kurz vor einer Einigung und somit einem finalen Endbericht. Experten und viele Regionsvertreter verwunderte diese Aussage schon zu diesem Zeitpunkt, denn der vor gerade einmal drei Wochen zuvor veröffentlichte Zwischenbericht blieb an den meisten Stellen noch immer sehr schwammig und vage.

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Auf Druck der betroffenen Ministerpräsidenten hat die Bundesregierung nun die Laufzeit der Kommissionsarbeit zunächst bis Januar verlängert. Zurecht, denn von einem ausgewogenen und zukunftsfähigen Gesamtplan zu tragfähigen Maßnahmen eines geordneten Ausstiegs aus der fossilen Kohleverstromung und einem damit verbundenen sozialverträglichen Strukturwandel, kann anhand der bis dato vorliegenden Ergebnisse nicht gesprochen werden.

Zu viele Fragen sind noch offen, wie das goldene Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Preisstabilität und den Klimazielen aufrechterhalten und umgesetzt werden soll. Viele dieser Aspekte wurden in der Kommission kaum oder nur ungenügend behandelt, geschweige denn beantwortet. Aus diesem Grund haben sich die kommunalen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am vergangenen Freitag in Berlin erneut zusammengefunden, um gerade diese kritischen Punkte nochmals aufs Tableau und in den Fokus der Aufmerksamkeit zu bringen.

Zu groß wären die Folgeschäden für die Braunkohlereviere, ihre Bewohner, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch die betreffenden Kommunen, wenn im Sinne eines politisch motivierten übereilten Kohleausstieg, nicht alle Fragen geklärt werden konnten.181123_Strukturwandel

Über 60 Teilnehmer stellten im Rahmen der Konferenz ihre jeweiligen Positionen zur Diskussion. Zunächst begrüßte aber der seit zwei Monaten amtierende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, die Revier-Vertreter.

Er stellte in einem kurzen Statement klar, dass die Arbeit der Kommission von hoher gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Relevanz ist und es ihre Aufgabe sei, Empfehlungen zu allen Themenkomplexen gleichrangig und umfassend abzuwägen. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass diese Vorschläge letzten Endes auch mit haushalterischen Mitteln unterlegt sein müssen.

Auch ich sehe hier großen Nachholbedarf, denn nicht nur finanzmathematisch laufen die bisherigen Ergebnisse der Realität in Teilen zuwider. Auch die zentralen Aufgaben des Parlaments dürfen in einem solchen Prozess nicht ausgehebelt werden. Die Kommission kann und darf der Meinungsbildung innerhalb des Deutschen Bundestages nicht vorweggenommen werden, zumal innerhalb dieses Gremiums keine Mitglieder des Bundestages mit Stimmrecht vertreten sind.

Die im Grundgesetz verankerten Rechte und Pflichten der Parlamentarier können nicht an demokratisch nicht legitimierte Kommissionen ausgegliedert werden.

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Der Fraktionsvorsitzende, Ralph Brinkhaus, sagte den Anwesenden seine volle Unterstützung bei den bevorstehenden Aufgaben zu und erklärte, dass es durchaus auch gelungene Beispiele eines umfassenden Strukturwandels in der Bundesrepublik gibt, die es genauer zu betrachten lohnt. Gleichzeitig müssen wir aus den gescheiterten Versuchen, zentral einen Strukturwandel auf dem Papier zu entwerfen, lernen und vergangene Fehler vermeiden.

Ebenso mahnte er aber auch an, dass die vier Braunkohlereviere mit einer Stimme sprechen sollen und nicht in einen internen Wettbewerb treten, dies würde die einzelnen Positionen in der politischen Wahrnehmung nur schwächen.

 

Sehr konkret wurde anschließend der Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Oliver Schenk.

Er erinnerte an den Transformationsprozess, die die Neuen Bundesländer in den 90er Jahren zu durchlaufen hatten und teilweise immer noch tun. Deshalb darf die Frage, wie die wegfallenden Arbeitsplätze kompensiert werden, nicht zu einer Nebensächlichkeit verkommen, die im besten Fall erst während des laufenden Prozesses beantwortet wird.

Die Sächsische Staatskanzlei hat einen klaren 10-Punkte-Plan formuliert, ohne dessen Beachtung ein geordneter und sozialverträglicher Strukturwandel wohl nicht zu bewerkstelligen ist. Kernforderung dieser Agenda lautet: Kein Ausstieg ohne neue und zukunftsgerechte Arbeitsplätze.

Für die Perspektiven des Rheinischen Reviers konnte ich den Elsdorfer Bürgermeister Andreas Heller, sowie den Geschäftsführer der ZRR (Zukunftsagentur Rheinisches Revier), Ralph Sterck gewinnen, die mit Ihren Vorträgen klar herausgestellt haben, dass die Herausforderungen, die sich stellen auch bei uns nicht kleingeredet werden können. Sicherlich ist es so, dass Nordrhein-Westfalen als industrielles Herzstück der Bundesrepublik eine wirtschaftlich stärkere Ausgangsposition hat. Wie Ralph Sterck aber richtigerweise anmerkte, ergibt sich daraus, dass eben auch die Fallhöhe für das Rheinische Revier um ein Vielfaches höher ist.

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In den vergangenen Jahrzehnten haben sich ein Wirtschaftsnetz, Industrien und Branchen um die Kohlegewinnung etabliert, die hochgradig voneinander abhängig sind. Allein 90.000 Arbeitsplätze hängen im Rheinischen Revier von der Braunkohleförderung ab. Die erst vor zwei Jahren getroffene Leitentscheidung der damaligen rot-grünen Landesregierung gab den Unternehmen eine Perspektive und einen Zeitplan, um in die notwendigen Prozesse zur Kompensation der Braunkohlewirtschaft einzusteigen. Diese Verbindlichkeiten werden nun aber von der Kommission grundsätzlich in Frage gestellt und neue Zeitpfade entworfen, die zu großer Unsicherheit führen. Die Destabilisierung eines Bausteines in diesem Geflecht durch staatliche Eingriffe, führt zwangsläufig zu einem Einbrechen des Kartenhauses, wenn nicht in ausreichendem Maße dafür gesorgt wird, dass gerade die angrenzenden Wirtschaftszweige keinen Energieengpässen und steigenden Energiepreisen ausgesetzt sind.

Dem Elsdorfer Bürgermeister Andreas Heller war es vor allen Dingen wichtig, dass in den oft im theoretischen Raum geführten Diskussionen, die Kommunen, die schlussendlich für die Umsetzung des Strukturwandels verantwortlich sind, nicht vergessen werden.
Bereits heute sind die Kommunen im rheinischen Revier von drastisch wegbrechenden Gewerbesteueraufkommen betroffen, da die hier ansässigen Energiekonzerne bereits heute keine Gewerbesteuern mehr zahlen. Die Kommunen des rheinischen Reviers haben über 40 Jahre auf eine geordnete Rekultivierung und auf die Wiederherstellung ihrer Heimat vertraut, die stets Bedingung eines jeden Genehmigungsverfahrens war. Soll darauf jetzt durch einen Tagebaustillstand verzichtet werden, begeht man sprichwörtlich einen Verrat an der hier lebenden Bevölkerung und bricht einen Generationenvertrag. Der Vertrauensverlust in der Region wäre unheilbar verbunden mit der Tatsache, dass hier offene Brachflächen zurück blieben so wie damals in den ostdeutschen Braunkohlegebieten.

 

Wie ein Strukturwandel positiv zu begleiten ist, konnte der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel, aus unserem Nachbarwahlkreis Düren, anhand eines Forschungs- und Innovationsprojektes aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung vorstellen.

Das Programm „WIR! – Wandel durch Innovationen in der Region“ im Lausitzer Revier ist mittlerweile erfolgreich umgesetzt worden und strahlt erste positive Entwicklungen auf die gesamte Region aus. Dies sind sicherlich Erfolgsgeschichten, an denen auch wir im Rheinischen Revier anknüpfen können. Denn insbesondere in der Erneuerbaren Energienwirtschaft und industrieller Forschung ist Nordrhein-Westfalen schon heute stark aufgestellt.

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Im Anschluss der Präsentationen hat sich eine lebhafte Diskussion entfacht, gerade auch in Bezug auf den Kurzbericht aus der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ der Spremberger Bürgermeisterin und Kommissionsmitglied, Christine Herntier.

Eine unerfreuliche Überraschung aus heiterem Himmel ergab sich dann durch den bei vielen Beteiligten aufflammenden Newsticker, der von angeblichen neuerlichen Beschlüssen der Kommission und kurzfristigen Schließungsszenarien berichtete. Der Unmut der Betroffenen über derartige mediale Attacken wurde schnell deutlich. Dieses Ereignis zeigt allerdings wiederum dass wir momentan von einer rein sachorientierten Debatte weit entfernt sind und es immer wieder ideologische Bestrebungen gibt, die Kommission ausschließlich auf eine Ausstiegs- Zeitpunkt-Diskussion hinzuführen. Auch hier wurde schnell Einvernehmen hergestellt, dass solchen Maßnahmen entschlossen eine Absage erteilt werden muss.

Trotz eines straffen Zeitplanes und langwieriger Diskussionen zum Kohleausstieg in Berlin, konnte es der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, zum Ende der Veranstaltung auch noch einrichten, für ein kurzes Gespräch im kleinen Rahmen zur Verfügung zu stehen.

Er warnte einmal mehr davor, zu früh ein konkretes Datum für den Kohleausstieg festzulegen und kritisierte, dass es bislang wenig Konkretes gäbe, wie einer Deindustrialisierung in den Revieren beigekommen werden kann.

Diese Zweite Strukturwandelkonferenz zeigte auch dieses Mal eindrücklich, wie groß die Sorgen um die Zukunft der Regionen sind. Jedem der Teilnehmer ist es ein großes Anliegen, sei es für ihre Kommunen, ihre Bundesländer oder den Unternehmen und somit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, eine sichere Perspektive aufzuzeigen und dennoch die notwendigen Schritte in eine CO2-neutrale Wirtschaft zu unternehmen.

Ich kann nur hoffen und appelliere an die Mitglieder der Kommission diese Sorgen ernst zu nehmen und einen ausgewogenen Pfad zu entwickeln, der Deutschland zu einem globalen Vorbild im Sinne eines sozialverträglichen Braunkohleausstiegs macht.